50 Jahre Spielpädagogik in Deutschland
Veröffentlicht von Ulrich Baer in Spielpädagogik als Beruf · 31 März 2023
Tags: Geschichte, Spielpädagogik, Akademie, Remscheid
Tags: Geschichte, Spielpädagogik, Akademie, Remscheid
Vor rund 50 Jahren, 1972/73, fanden die ersten berufsbegleitenden Weiterbildungskurse "Spielpädagogik in der Kinder- und Jugendarbeit" an der Akademie der Kulturellen Bildung des Bundes und des Landes NRW (damals: Akademie Remscheid für musische Bildung und Medienerziehung) statt. Damit haben die beiden Dozenten Dr. Jürgen W. Kleindiek und Ulrich Baer die erziehungswissenschaftlich orientierte Spielpädagogik in (West-)Deutschland begründet. Die große Nachfrage nach diesen Fortbildungskursen und die zahlreichen Publikationen des Fachbereichs haben die Entwicklung der Spielpädagogik entscheidend voran gebracht.
Aus diesem Anlass zitieren wir hier aus der Einleitung des 1995 erschienenen Buches "Spielpraxis - eine Einführung in die Spielpädagogik" von Ulrich Baer:
Spielpädagogik ist als
selbständiges Spezialgebiet der Pädagogik grad mal vielleicht 25
Jahre alt. Aber schon immer und in allen Kulturen gab es Spiel. Und
Menschen, die anderen, meist jüngeren, beigebracht haben wie man
spielt. Und spätestens seit der Reformpädagogik der Weimarer Zeit
gibt es eine Erziehung, die Spiel als wichtiges Erziehungsmittel
methodisch einsetzt.
Damit
haben wir bereits die zwei wichtigsten Anwendungsgebiete der
Spielpädagogik genannt:
1.
Die Erziehung zum Spielen -
also
die Motivation dazu und die pädagogische Beeinflussung der
Spieltätigkeit von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen;
2.
Die Erziehung mit und durch Spiel -
also
die Anwendung der Methode Spiel in organisierten Lernprozessen in
Schule, Jugendarbeit, Familienerziehung, Weiterbildung.
Im
einen Fall ist das Ziel, daß mehr und besser gespielt wird, und im
anderen Fall ist das Ziel, daß besser gelernt wird (mit Hilfe von
Spielen).
...
Im Spiel kokettiert die Wirklichkeit mit ihren unerfüllten Sehnsüchten. Wenn ich in pädagogischen Situationen spiele, dann wird der unerträgliche Ernst mit Ulk aufgeweicht und handhabbar gemacht - und Phantasie und Metaphorik des Spiels machen mein Leben reicher, lebendiger und fröhlicher. Und das hilft Kindern (darum spielen sie!), und es hilft mir.
Das könnte das wichtigste Ziel für Spielpädagogen sein: Spiel so zu fördern, dass es für Kinder, Jugendliche und Erwachsene ein produktives kulturelles Mittel ist - zu ihrem Wohl und zum Wohl der Gesellschaft. Dazu braucht es Pädagogen die zum Spiel anregen, beitragen, mitspielen, selber spielen und Spielmöglichkeiten freischaufeln in unserer Kultur, in der so viel kommerzialisiert und verplant wird.
Dazu brauchen Spielpädagogen Sensibilität für die Gruppe und jeden einzelnen, Spaß und Heiterkeit, kluge Ideen und witzige Einfälle. Spielpädagogen retten für Kinder und Jugendliche das Abenteuer. Und jedes Abenteuer beginnt im Kopf.
[Ulrich Baer (1995): Spielpraxis. Seelze-Velber: Kallmeyer. S. 8f.]